Montag, 18. Januar 2021

Posting 90 - Die Psychologie des Geldes

Der Finanzautor M. Housel untersucht Geldanlage in einem breiteren, psychologischen Sinne.

Vgl. Morgan Housel, Die Psychologie des Geldes (engl.): https://www.collaborativefund.com/blog/the-psychology-of-money/

Er started mit einer netten Anekdote, wie es einer einfachen Sekretärin gelungen ist, bei ihrem Ableben mit hundert Jahren sieben Mio. US$ zu hinterlassen, während es ein hochrangiger Finanzmanager mit Harvard-Abschluss trotz bester Voraussetzungen nur zur Insolvenz gebracht hat. Und dass solche erstaunlichen "Karrieren" wie bei der Sekretätin ausschließlich vorstellbar sind bei der Geldanlage. Denn dort spielt Verhalten die entscheidene Rolle, nicht die professionelle Qualifikation. 

Folgende Dimensionen werden herausgearbeitet:

1) Zufall/Glück sind nicht zu unterschätzen, das muss man in aller Bescheidenheit einräumen. 

2) Der Erfolg, wohlhabend zu werden, hat Kosten, zumindest emotionale. Wer hoch hinaus will, muss Unsicherheit und Volatilität aushalten. 

3) Reichtum erzeugt keine Anerkennung anderer - diese Vorstellung ist eine Fiktion. Sondern eher das eigene Bestreben, es auch zu werden, weil man denkt, es würde Anerkennung bringen. 

4) Lebenseinstellungen ändern sich, oft gibt es Phasen von je 10-20 Jahren Dauer. Bei der Geldanlage aber sind viel längere Zyklen erfolgreicher, am besten solche, die lebenslang wirken können, d.h. 50-80 Jahre lang. So wirkt sich der Zinseszinseffekt dramatisch stark aus, insbesondere am Aktienmarkt.

5) Der finanzielle Erfahrungshintergrund, der oft in der Jugendzeit geprägt wird - nicht zuletzt durch die Erfahrungen und Einstellungen der Eltern -, führt zu unterschiedlichen Wahrnehmungen der Realität.

6) Die Historie bietet keine verlässliche Grundlage für die Zukunftsentwicklung der Märkte. Während Erfahrungen in den Naturwissenschaften sehr wohl relevant sind, hat die innovationsgetriebene Wirtschaft eine völlig "unkalkulierbare" Zukunft. Auf bestimmte Firmen oder Branchen zu setzen, macht längerfristig keinen Sinn. Die Historie lehrt aber viel über Anlegerverhalten, dies sollte also durchaus betrachtet werden.

"That doesn’t mean we should ignore history when thinking about money. But there’s an important nuance: The further back in history you look, the more general your takeaways should be. General things like people’s relationship to greed and fear, how they behave under stress, and how they respond to incentives tends to be stable in time. The history of money is useful for that kind of stuff. But specific trends, specific trades, specific sectors, and specific causal relationships are always a showcase of evolution in progress."

7) Die Welt geht selten unter - bisher noch nie. Der Mensch neigt dennoch zu Pessimismus, das hat auch sein Überleben gesichert. Warren Buffet: "Wer Erfolg haben will, muss zuerst überleben". Dennoch entwickelt sich die Wirtschaft nach oben, weil Innovation sie antreibt. 

8) Lineares Denken ist für den Menschen die intuitive Form. Exponentielles Denken sprengt seine Vorstellungskraft. Der duch langfristiges Anlegen erzielte Zinseszinseffekt ist aber eine exponentielle Funktion. W. Buffet ist eben auch schon 75 Jahre "am Markt", weil er schon als Kind begonnen hat. 

9) Die breite Masse kann keine weit überdurchschnittlichen Renditen erzielen, das ist nur möglich durch Vorreiterschaft in innovativen Segmenten. Aber durchschnittliche Ergebnisse kombiniert mit Langfristigkeit reichen allemal.

10) Die (Finanz-)Wissenschaft ist nur begrenzt wirksam, wo menschliches Verhalten, Gier und Panik eine wichtige Rolle spielen. Verhalten ist letztlich wichtiger als Investitionstechnik.

11) Viele Menschen denken, Reichtum sei daraus abzuleiten, was man an Konsumgütern und Lebensstandard sieht (großes Haus, Luxusautos, teure Reisen, Boot etc.). Dem ist nicht so. Kapitalvermögen entsteht, wenn man deutlich weniger ausgibt, als man einnimmt und diesen möglichst großen Überschuss dann klug investiert - nur dadurch wird mit der Zeit Vermögen aufgebaut.  

12) Bei einem Auto weiß man, wann es defekt ist und einer Reparatur bedarf. Aber bei einem Investment? Wenn ein Teilmarkt nicht läuft? Vielleicht nur eine vorübergehende Schwankung? Einer der wichtigsten Sätze, um die Fehleranfälligkeit menschlichen Verhaltens zu begrenzen: "Don´t do anything".

13) Die Anlagestruktur sollte Raum für Irrtum lassen, denn Irrtum ist häufig. Irrtum und Enttäuschung wirken enorm zerstörerisch auf die Psyche und führen zu anschließenden Verhaltensfehlern. 

14) Finanzanlage von anderen abzugucken, ist keine gute Idee. Andere Akteure haben oft eine ganz andere Sichtweise und andere Ziele. Finanzanlage muss auf die eigenen Ziele fokussieren. 

15) Finanznews sind unterhaltsam, so wie Sportnews. Spekulieren kann auch spannend sein. Wer jedoch zum Zeitvertreib und zur Spekulation an der Börse ist, erzielt meist keine guten Resultate, denn dazu sind eher "systematische" Langeweile und Ausdauer erforderlich.

16) Risiko in der Finanzanlage ist okay, solange es nicht "tödlich" wirken kann. Da Leveraging (Hebeln) leicht zum Ruin führen kann, ist es keine sinnvolle Option. 

17) Das beste Anlagewissen nützt nichts, solange das Anlage-Verhalten nicht stimmt. Der Mindset ist entscheidend, erst danach kommt das "Technikwissen" wie Portfoliostruktur, Portfoliokosten, Steuern etc. 

18) Die Welt funktioniert oft nicht so, wie wir es uns wünschen. Dagegen hilft aber keine "korrigierende" Geschichte. Obwohl in der Praxis (leider) gilt: "Stories over statistics"

19) Die Politik mag einen Enfluss auf die Wirtschaft haben. Aber er ist weit unklarer, als viele sich das wünschen. Politik ist als Basis für rationale Investmententscheidungen ungeeignet.

20) Was kürzlich passiert ist an Entwicklungen in Gesellschaft und Wirtschaft wird oft als Basis genommen für lineare Extrapolationen ("recency bias"). Meist sind lineare Fortschreibungen aber falsch. Es lohnt sich, bei der persönlichen Langfriststrategie zu bleiben, und diese nicht nach neueren Ereignissen zu verwerfen. 

Morgan Housel schließt mit einem Satz zur effektiven Psychologie des Geldes: "Es ist egal, was drumherum passiert. Es ist nicht wichtig."

Als Zusammenfassung für persönlichen Anlageerfolg steht ganz klar das Verhalten im Vordergrund. Unverzichtbar sind somit Disziplin, Konstanz und Langfristigkeit als notwendige Bedingungen, ein paar weitere als hinreichende.

Vgl. https://gafib1.blogspot.com/2019/03/posting-59-typische-anlagefehler.html

Vgl. https://gafib1.blogspot.com/2020/11/posting-86-advisors-alpha-welchen-wert.html

Vgl. https://www.marketwatch.com/story/americans-are-still-terrible-at-investing-annual-study-once-again-shows-2017-10-19

Vgl. "Spar Dich reich": https://www.manager-magazin.de/unternehmen/karriere/a-638935.html


1 Kommentar:

  1. Super Zusammenfassung; facettenreicher als das legendäre, aber nach wie vor gültige Zitat von Andre Kostolany:„Kaufen Sie Aktien, nehmen Sie Schlaftabletten und schauen Sie die Papiere nicht mehr an. Nach vielen Jahren werden Sie sehen: Sie sind reich."

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