Donnerstag, 20. Oktober 2022

Posting 95 - Immobilienübertragung an Kinder mit Nießbrauch

Die Immobilienbewertungen in der Dekade der 2010er Jahre sind explodiert aufgrund des Niedrig-/Nullzinsumfelds. Damit werden, insbesondere in den Metropolen, nicht selten Erbschaftswerte erreicht, die den Freibetrag von 400.000 € pro Kind je Elternteil überschreiten können, zumal inklusive weiterer Vermögenswerte. 

Ein bewährtes Instrument zur vorzeitigen Immobilien-Übertragung an Kinder bzw. Erben ist der sog. "Vorbehalts-Nießbrauch". Damit bleiben alle Nutzungsrechte (Eigennutzung oder Vermietung) bei den Schenkern (z.B. Eltern), während die Beschenkten formal bereits die Eigentümerschaft übernehmen.

Durch den Kapitalwert der Nießbrauchsbelastung wird der Übertragungswert deutlich gemindert, so dass in vielen Fällen die Freibeträge von 400 T€ eingehalten werden und keine Erbschafts- bzw. Schenkungssteuer zum Tragen kommt

Der folgende Artikel bietet eine gute Übersicht: https://cmshs-bloggt.de/immobilien-in-der-nachfolge

Zur Bestimmung des dabei relevanten Verkehrswertes der Immobilie vergleiche: https://www.rosepartner.de/immobilienbewertung-erbschaftsteuer-schenkungsteuer.html 

Das Finanzamt nimmt eine Abschätzung vor, ob realistische Verkehrswerte und Mieterträge angenommen wurden - nicht der Notar. Eine sachgemäße Wertermittlung kann häufig mittels Vergleichswertverfahren erfolgen (eigene Recherchen, sofern vergleichbare Immobilien am Markt sind) und/oder unter Zuhilfenahme einer Steuerberatung. Im allgemeinen wird eine Schenkungssteuererklärung vom FA aber nicht gefordert, solange der "Netto"-Immobilienwert - nach Abzug des Kapitalwerts des Nießbrauchrechts - deutlich unter den Schenkungsfreibeträgen von 400 T€ pro Kind liegt. 

Entlastend wirkt, dass - in "klassischer" Familienkonstellation mit je 1/2 elterlichem Anteil am Immobesitz -, ein Schenkungsfreivolumen pro Kind von 800 T€ existiert. Bei zwei Kindern müssten zunächst also 1,6 Mio. Immowert erreicht werden, um die Freibeträge auszuschöpfen. Insofern ist eher auf das im Todesfall zu erwartende Gesamtvermögen abzustellen. Vorsorglich ist davon auszugehen, dass - trotz voranschreitender Inflation - eine Erhöhung der Erbschaftsfreibeträge eher unwahrscheinlich erscheint.

Der Jahreswert der (bei Eigennutzung: fiktiven) Miete darf max. 1/18,6 des Grundstückswerts betragen (ca. 5,4 % Nettomietertrag). Beispiel: Bei einem Grundstückswert von 372.000 € darf die angesetzte Jahreskaltmiete also maximal 20.000 € betragen. Im Jahr 2022 ist eine solche Relation, zumindest in den Metropolen, jedoch weit entfernt von den tatsächlichen Verhältnissen. Bei einem Grundstücks-Verkehrswert von 500 T€ und einem Jahresmietertrag von 20.000 € würde sich ein Miet-Multiples ergeben von 25, was für Metropolen eher Verkehrswert-nah sein dürfte (= 4 % Mietertrag).

Zur Ermittlung des Kapitalwerts des Nießbrauchs, der vom Schenkungswert abzugsfähig ist:  https://renteplusimmobilie.de/niessbrauch-berechnen/  [Vereinfachend legen einige Grundbuchämter "runde" Werte für den Nießbrauch zugrunde, z.B. das 10-fache der Jahreskaltmiete bei Personen bis Alter 70 Jahre und das 5-fache bei Personen ab Alter 71 Jahre.]

Zur den Notarkosten eines Nießbrauchvertrags, wobei hier die 2,0-fache Gebühr greift: https://www.notar.de/themen/notarkosten/gebuehrenrechner Ggf. entsteht noch eine Vollzugsgebühr für die Anforderung von Löschungsunterlagen eines (Alt-)Darlehens bei der Bank. Diese beträgt 1/4 der Beurkundungsgebühr aus dem o.g. Notarkosten-Rechner. Hinzu kommt noch die USt. von 19 %.

Neben den Notarkosten fallen auch noch Gerichtskosten (= Grundbuchamtkosten) an, Rechner (siehe "Gebühren für die Schenkung eines Grundstücks") hier: https://www.sommerfeld-majka.de/notar/notarkostenrechner/schenkung-grundstueck  Hierbei ist zu beachten, dass weitere Gebühren entstehen außer für die 1) Eintragung der neuen Eigentümer (= Rechnerwert), nämlich 2) für die Nießbrauchs-Eintragung und 3) meist noch für die Rückauflassungs-Vormerkung (für evt. Rückübertragung des Grundstücks an die Schenker). Hinzu kommen 4) noch geringere Gebühren für eine Darlehenslöschung aus dem Grundbuch sowie für Schreibauslagen. Die gesamten Gerichtskosten betragen meist das 2-fache des o.g. Rechnerwerts für die reine (Neu-)Eintragung von Eigentümern. USt. fällt bei den Gerichtskosten nicht an.

Die Summe aus Notar- und Gerichtskosten beträgt also ca. 0,8 bis 1,0 % bezogen auf den im Übertragungsvertrag angesetzten Verkehrswert der Immobilie. Bei 500.000 € Verkehrswert wären es ca. 4.200 € an Gesamtkosten (inkl. USt. auf die Notarkosten), bei zusätzlicher Darlehenslöschung dann ca. 4.800 €. Natürlich kann es zu Abweichungen kommen bei deutlich anderen Wertansätzen. 

Vgl. Nießbrauchrechner: https://www.n-heydorn.de/niessbrauchrechner.html

Die Errichtung einer Vorsorgevollmacht ist zu empfehlen, damit, etwa im Fall einer Demenz, die gerichtliche Bestellung eines externen Betreuers vermieden werden kann. Zur Gültigkeit bei Grundstückssachen muss die Vollmacht beglaubigt sein, z.B. durch eine städt. Betreuungsbehörde, in Köln hier: https://www.stadt-koeln.de/artikel/06220/index.html  [Dies ist weit kostengünstiger als eine notarielle Beurkundung]. 

Vgl. zur Vorsorgevollmacht: https://www.bundesweitefinanzberatung.de/vorsorgevollmacht-korrekt-erteilen

Vgl. GAFIB-Posting 58 zur Erbschaftsplanung: https://gafib1.blogspot.com/2019/03/posting-58-erbschaftsplanung.html

Vgl. Erbschaftsteuerfreibeträge: https://www.steuertipps.de/vererben/freibetraege-bei-der-erbschaftsteuer

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