Sonntag, 20. August 2017

Posting 42 - Rentenvorsorge für Selbständige - ist die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) eine sinnvolle Option? - update per März 2024

Obwohl die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) aufgrund der Demografie-Situation ein eher schwaches Image hat, sprechen die Zahlen eine viel günstigere Sprache: Wer als Selbständiger oder sonstige Nicht-RV-pflichtige Person (z.B. Hausfrau) im Jahre 2021 freiwillige Einzahlungen in die GRV tätigt von 10.000 €, erhält dafür 43,80 € an künftiger Monatsrente ab Alter 67 Jahre. Damit ergibt sich ein sog. Rentenfaktor von 43,8 für alle Einzahlungen, unabhängig von deren Höhe oder Zeitpunkt (in 2021 sind maximal 1.321 € als Monatsbeitrag möglich). Quelle: DRV

Mit einer alternativen privaten Rüruprente ist ein garantierter Rentenfaktor von 44 derzeit nicht erzielbar, das Niedrigzinsumfeld hat hier leider "ganze Arbeit" geleistet. Bei älteren bzw. noch lange laufenden Rürupverträgen (ca.15 Jahre aufwärts) dürfte es jedoch besser aussehen, wenn etwa via Aktienfonds-Invest Wertsteigerungen der Vertrags-Kapitalanlage (was beim GRV-Umlageverfahren eben keine Rolle spielt) bis zum Renteneintritt erzielt werden. Dann kann ein geringerer Rentenfaktor durchaus kompensiert werden durch ein deutlich höheres Rürup-Vertragskapital. Umgekehrt werden Einzahlungen, wenn nur noch 5-10 Jahre Zeit sind bis zum Rentenbezug meist günstiger sein in die GRV als in eine private Rüruprente. (Diese Relation gilt sehr ähnlich für Versorgungswerke (VW) von Freiberuflern, auch dort sind die garantierten Rentenfaktoren nicht selten geringer.)

Zum Problem wird allerdings das sog. Ablauf-Management in privaten Rürupverträgen, d. h. die Umschichtungs-Notwendigkeit 5-10 Jahre vor Beginn der Auszahlungsphase in schwankungsarme Rentenpapiere (bei Aktienfonds-basierten Verträgen). Die Anleihen-Renditen liegen aktuell nahe Null Prozent. Damit findet eine weitere Wertentwicklung des Rürupvertrages einige Jahre vor Rentenbeginn kaum noch statt.

Wer gesetzlich krankenversichert ist, muss von den ca. 19 % KV/PV-Beiträgen derzeit ca. 11 % selber tragen als Eigenanteil/Rentenabzug (1/2 des KV-Beitrags und den vollen PV-Beitrag), ca. 8 % als KV-Beitragszuschuss trägt die GRV. Aber auch ein "Netto"-Rentenfaktor von 39 ist noch attraktiv. 
 
Bei (zusätzlichen) Betriebsrenten und VW-Renten ist der volle KV/PV-Beitrag von ca. 19 % allein zu tragen bis zur Beitragsbemessungsgrenze, in 2021 ca. 4,8 T€, allerdings erst beginnend oberhalb der GRV-Rentenhöhe. Damit wären deren "Netto"-Rentenfaktoren - bis zur BBG - um 19 % gemindert. (Beispiel: RF von 40 abzgl. 19 % KV/PV = Netto-RF 32,4). Seit 2020 gibt es zumindest einen Freibetrag (2021: 165 €). Vgl. https://www.steuertipps.de/pensionaere/beitragsentlastung

Kapitalleistungen aus Betriebsrenten/Versorgungswerken unterliegen 10 Jahre lang der KV/PV-Beitragspflicht in der GKV. Vom Auszahlungsbetrag werden daher monatlich 1/120 angesetzt. Der o.g. Freibetrag gilt entsprechend.

Wer andererseits privat krankenversichert ist in der Rentenphase, erhält auf Antrag die 7,9 % KV-Zuschuss als zusätzliche GRV-Zahlung auf seine gesetzliche Rente, was deren Rendite sogar noch erhöht. Der Rentenfaktor steigt auf ca. 47,3 - einen konkurrenzlos hohen Wert. Auch freiwillig gesetzlich Versicherte erhalten auf Antrag einen solchen Zuschuss auf ihre gesetzl. Rente, müssen aber daneben die 2. Hälfte des Beitrag zahlen.

Die steuerliche Behandlung von Einzahlungen in die gesetzliche und/oder eine private Rürup-Rente ist identisch: Rürup-Einzahlungen bis max. 25.787 € pro Jahr und Person (Ehepaare doppelter Betrag) sind in 2021 zu 92 % als Sonderausgaben abzugsfähig. In der GRV sind es max. 1.320,60 €/Monat. Beispiel: 10.000 € Einzahlung bei 44,3 % Grenzsteuersatz führen zu 4.076 € an Steuerersparnis (= 40,1 % der Einzahlungen).

Da im Übrigen keine besonderen Voraussetzungen bestehen, können Rürup bzw. GRV-Rentenbeiträge gleichermaßen für jeden Ehepartner eingebracht werden. Bei der GRV jedoch nur, sofern keine Rentenpflichtbeiträge (auch via Minijob) entrichtet werden (diese schließen freiwillige Beiträge aus; der RV-Status von Minijobs lässt sich aber ändern).

Ab Alter 50 Jahre gibt es eine weitere Möglichkeit freiwilliger Zuzahlungen (auch bei bestehendem RV-pflichtigen Minijob), wodurch Abschläge bei früherem Renteneintritt (z.B. ab Alter 63 Jahre) kompensiert werden können. Diese Option kann attraktiv sein, insbesondere in den letzten 3-5 Jahren vor Rentenbeginn, in denen die Zeit fehlt für einen lukrativeren Kapitalaufbau. Ein zusätzlicher Vorteil von GRV- (und Rürup-)Ansprüchen besteht darin, dass diese insolvenzfest sind.

Bei der privaten Rüruprente existiert anders als in der GRV keine Monatshöchstgrenze, sie bietet also mehr Flexibilität, auch bzgl. einer möglichen Rentengarantiezeit.
 
Ein Faktor ist auch noch zu berücksichtigen bei der beitragsfreien Familienversicherung: Eigene Einkünfte inkl. von Kapital- und Mieteinkünften dürfen max. 470 €/Monat betragen, andernfalls wird ein sog. Mindesteinkommen angenommen (1.097 €/Monat in 2022), das dann mit ca. 200 €/Monat an KV-/PV-Beiträgen verbeitragt wird. Kann etwa relevant werden in der Rentenphase, wo ein Partner noch keine eigene gesetzliche Rente bezieht, wohl aber Kapitaleinkünfte hat von mehr als 470 €/Monat. Vgl. https://www.verbraucherzentrale.de/familienversicherung-in-der-krankenkasse

Angesichts der Zahlenverhältnisse ist ein spezifischer Vergleich zwischen gesetzlicher und privater Rentenoption für Selbständige unbedingt anzuraten. Eine neutrale Beratung dazu ist lohnend. Bei Fragen zur gesetzlichen Rente insbesondere durch die entsprechenden DRV-Beratungsstellen.
 
Höhe der "Standardrente": Häufig ist vom sog. Sicherungsniveau (SN) der gesetzlichen Rente die Rede, das aktuell in 2024 bei ca. 48 % liegt. (Achtung: Hierbei werden 45 Beitragsjahre unterstellt). Was bedeutet das für die Nettorente in Relation zum relevanten Netto-Durchschnittsgehalt? Beispiel: Durchschnitts-Bruttogehälter über die vollständige Einzahlphase (45 J. lang - egal, ob als Einzelverdiener oder gemeinsam durch beide Ehepartner - bei St.kl. III) auf dem Niveau von 5.000 € ergeben 48 % Rente brutto = 2.400 €. Nach KV/PV und Steuern ergeben sich 2.114 € Nettorente. Ein Bruttogehalt von 5.000 € ergibt nach Sozialabgaben/Steuern 3.512 € Nettogehalt. Das erreichbare Rentennetto nach allen Abzügen (2.114 € : 3.512 €) beträgt damit ca. 60 % eines "aktiven" Gehalts. [ a) Das relativ höhere "Netto" gegenüber dem erreichbaren 48 % SN resultiert aus den wesentlich geringeren Abzügen in der Rentenphase. b) Der Begriff der "Standardrente" unterstellt 45 Beitragsjahre, was die meisten allerdings nicht erreichen. Daher ist das effektive Rentenniveau meist auch deutlich geringer als 60 % netto. Wer z. B. nur 38 Jahre Beitragszeiten erreicht, würde im o.g. Beispiel auf ca. 51 % netto eines "aktiven" Gehalts kommen.]
 
 
Zum Vergleich: Beamte im höheren Dienst (A13, Studienrat, St.kl. III) haben Endbezüge von ca. 6.600 € brutto und ca. 5.480 € vor KV/PV, die noch ca. 250 € ausmachen (= 5.230 € netto). Wer mit dem max. Ruhegehaltssatz von 71,75 % in Pension geht, bezieht ca. 4.735 € Pension brutto und 3.910 € netto nach KV/PV-Beiträgen. Damit beträgt das Beamtenversorgungsniveau ca. 75 % netto der letzten Dienstbezüge vor der Pensionierung (3.910 €: 5.230 €), nicht der Durchschnittsgehälter der gesamten Erwerbsbiografie, wie in der GRV. Vgl. https://www.n-heydorn.de/gehaltsrechner_beamte.html

 
Vgl. Rentenanspruch durch freiwillige Beiträge: https://www.ihre-vorsorge.de/rechner/rechner-rentenversicherung-was-bringen-freiwillige-beitraege.html

Vgl. KV-Beiträge in der Rentenphase: https://www.krankenkassen.de/gesetzliche-krankenkassen/krankenkasse-beitrag/rentner/
Insbesondere langjährig gesetzlich krankenversicherte Versorgungswerk-Angehörige sollten die Mindestbeitragszeit von 60 Monaten in der GRV erreicht haben, um den "teuren" Status der "freiwilligen Mitgliedschaft" in der Rentenphase zu vermeiden.
 


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